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diff --git a/talermerchantdemos/blog/articles/de/trivial-patent.html b/talermerchantdemos/blog/articles/de/trivial-patent.html new file mode 100644 index 0000000..abe10cc --- /dev/null +++ b/talermerchantdemos/blog/articles/de/trivial-patent.html @@ -0,0 +1,330 @@ +<!--#set var="ENGLISH_PAGE" value="/philosophy/trivial-patent.en.html" --> + +<!--#include virtual="/server/header.de.html" --> +<!-- Parent-Version: 1.79 --> + +<!-- This file is automatically generated by GNUnited Nations! --> +<title>Anatomie eines trivialen Patents - GNU-Projekt - Free Software Foundation</title> + +<!--#include virtual="/philosophy/po/trivial-patent.translist" --> +<!--#include virtual="/server/banner.de.html" --> +<h2>Anatomie eines trivialen Patents</h2> + +<p>von <strong><a href="//www.stallman.org/">Richard Stallman></a></strong></p> + +<p>Programmierer sind sich dessen sehr wohl bewusst, dass viele der bereits +vorhandenen Softwarepatente lächerlich offensichtliche Ideen +abdecken. Dennoch argumentieren die Verfechter des Patentsystems häufig, +dass diese Ideen nicht trivial seien, sondern erst im Nachhinein +offensichtlich sind. Und es ist überraschenderweise schwer, sie bei Debatten +zu besiegen. Woran liegt das?</p> + +<p>Ein Grund ist, dass man jede Idee komplex aussehen lassen kann, wenn man sie +zu Tode analysiert. Ein anderer Grund ist, dass diese trivialen Ideen, wie +sie in den Patenten selbst beschrieben werden, oft ziemlich komplex +aussehen. Die Verfechter des Patentsystems können auf diese komplexe +Beschreibung hinweisen und sagen: „Wie kann etwas so kompliziertes +offensichtlich sein?“</p> + +<p>Ich erläutere dies anhand eines Beispiels. Hier ist Patentanspruch Nr. 1 aus +US-Patent 5.963.916, angemeldet im Oktober 1996:</p> + +<blockquote> +<p>„1. Ein Verfahren, einem <em>entfernten Benutzer</em> +‚Remotebenutzer‘ zu ermöglichen, auf einen Ausschnitt eines +voraufgezeichneten Musikprodukts von einer Netzwebseite mit vorausgewählten +Ausschnitten von verschiedenen voraufgezeichneten Musikprodukten Probehören +zu lassen, mit Hilfe eines Rechners, eines Bildschirms und einer bestehenden +Telekommunikationsverbindung zwischen dem Rechner des entfernten Benutzers +und der Netzwebseite, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:</p> + +<ul> +<li>a) den Rechner des entfernten Benutzers zu benutzen, um eine +Telekommunikationsverbindung zur Netzwebseite aufzubauen, wobei die +Netzwebseite (i) einen zentralen Hostserver umfasst, der mit einem +Kommunikationsnetzwerk verbunden ist, um auf Anfrage von einem entfernten +Benutzer vorausgewählte Ausschnitte voraufgezeichneter Musikprodukte +abzurufen und zu übermitteln und (ii) einem zentralen Speichergerät, um +vorausgewählte Ausschnitte einer Vielzahl anderer voraufgezeichneter +Musikprodukte zu speichern;</li> +</ul> + +<ul> +<li>„b) Benutzeridentifikationsdaten vom Rechner des entfernten Benutzers an den +zentralen Hostserver übermitteln, wodurch dem zentralen Hostserver möglich +ist, den Fortschritt des Benutzers über die Netzwebseite zu identifizieren +und zu verfolgen;“</li> +</ul> + +<ul> +<li>„c) Auswählen von mindestens einem vorausgewählten Ausschnitt der +voraufgezeichneten Musikprodukte vom zentralen Hostserver;“</li> +</ul> + +<ul> +<li>„d) Empfangen des gewählten vorausgewählten Ausschnitts des +voraufgezeichneten Musikprodukts und“</li> +</ul> + +<ul> +<li>„e) Interaktives Probehören des empfangenen vorausgewählten Ausschnitts des +voraufgezeichneten Musikprodukts.“</li> +</ul> +</blockquote> + +<p>Das sieht wirklich nach einem komplexen System aus, nicht wahr? Sicherlich +bedurfte es eines wirklich schlauen Typen, um darauf zu kommen? Nein, aber +es bedurfte Geschick, um einen so komplexen Anschein zu erwecken! +Analysieren wir, woher die Komplexität kommt:</p> + +<blockquote> +<p>„1. Ein Verfahren, einem entfernten Benutzer zu ermöglichen, auf einen +Ausschnitt eines voraufgezeichneten Musikprodukts von einer Netzwebseite mit +vorausgewählten Ausschnitten […] Probehören zu lassen …“</p> +</blockquote> + +<p>Das gibt den Hauptteil ihrer Idee an. Sie stellen Ausschnitte von bestimmten +Musikstücken auf einem Server zur Auswahl, damit ein Nutzer sie anhören +kann.</p> + +<blockquote> +<p>„… von verschiedenen voraufgezeichneten Musikprodukten …“</p> +</blockquote> + +<p>Das unterstreicht, dass ihre Server die Auswahl von mehr als einem +Musikstück speichert.</p> + +<p>Es ist ein Grundprinzip der Informatik, dass ein Rechner, der eine Sache +einmal ausführen kann, diese Sache viele Male mit verschiedenen Daten zu +jeder Zeit ausführen kann. Viele Patente geben an, dass die Anwendung dieses +Prinzips auf einen konkreten Fall eine <em>Erfindung</em> macht.</p> + +<blockquote> +<p>„… mit Hilfe eines Rechners, eines Bildschirms und einer +Telekommunikationsverbindung zwischen dem Rechner des entfernten Benutzers +und der Netzwebseite …“</p> +</blockquote> + +<p>Das besagt, dass ein Server in einem Netzwerk benutzt wird.</p> + +<blockquote> +<p>„… wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:</p> +<p>a) den Rechner des entfernten Benutzers zu benutzen, um eine +Telekommunikationsverbindung zur Netzwebseite aufzubauen …“</p> +</blockquote> + +<p>Das besagt, dass der Nutzer sich über das Netzwerk mit dem Server verbindet +(so benutzt man einen Server nun mal).</p> + +<blockquote> +<p>„… wobei die Netzwebseite (i) einen zentralen Hostserver umfasst, der +mit einem Kommunikationsnetzwerk verbunden ist …“</p> +</blockquote> + +<p>Das informiert uns darüber, dass der Server im Netz ist (was typisch für +Server ist).</p> + +<blockquote> +<p>„… um auf Anfrage von einem entfernten Benutzer vorausgewählte +Ausschnitte voraufgezeichneter Musikprodukte abzurufen und zu übermitteln +…“</p> +</blockquote> + +<p>Dies wiederholt die allgemeine in den ersten beiden Zeilen angegebene Idee.</p> + +<blockquote> +<p>„… und (ii) einem zentralen Speichergerät, um vorausgewählte +Ausschnitte einer Vielzahl anderer voraufgezeichneter Musikprodukte zu +speichern;“</p> +</blockquote> + +<p>Sie haben beschlossen, eine Festplatte (oder äquivalentes) in ihren Rechner +einzubauen und die Musikproben darauf zu speichern. Schon seit etwa 1980 ist +das der normale Weg, um irgendetwas auf einem Rechner für den schnellen +Zugriff zu speichern.</p> + +<p>Beachten Sie, wie wiederholt betont wird, dass mehr als eine Auswahl auf +dieser Festplatte gespeichert werden kann. Selbstverständlich ermöglicht +jedes Dateisystem die Speicherung von mehr als einer Datei.</p> + +<blockquote> +<p>„b) Benutzeridentifikationsdaten vom Rechner des entfernten Benutzers an den +zentralen Hostserver übermitteln, wodurch dem zentralen Hostserver möglich +ist, den Fortschritt des Benutzers über die Netzwebseite zu identifizieren +und zu verfolgen;“</p> +</blockquote> + +<p>Das bedeutet, es kann ständig nachvollzogen werden, wer Sie sind und worauf +Sie zugreifen ‑ eine (jedoch unangenehme) Gemeinsamkeit von +Webservern. Ich glaube, dass es bereits im Jahr 1996 üblich war.</p> + +<blockquote> +<p>„c) Auswählen von mindestens einem vorausgewählten Ausschnitt der +voraufgezeichneten Musikprodukte vom zentralen Hostserver;“</p> +</blockquote> + +<p>In anderen Worten: der Nutzer klickt, um mitzuteilen, welchem Verweis +gefolgt werden soll. Das ist für Webserver typisch; hätten sie einen anderen +Weg dafür gefunden, wäre <em>das</em> vielleicht eine Erfindung gewesen.</p> + +<blockquote> +<p>„d) Empfangen des gewählten vorausgewählten Ausschnitts des +voraufgezeichneten Musikprodukts und“</p> +</blockquote> + +<p>Wenn Sie einem Verweis folgen, liest Ihr Webbrowser den Inhalt. Das ist ein +typisches Verhalten für Webbrowser.</p> + +<blockquote> +<p>„e) Interaktives Probehören des empfangenen vorausgewählten Ausschnitts des +voraufgezeichneten Musikprodukts.“</p> +</blockquote> + +<p>Das besagt, Ihr Webbrowser spielt die Musik für Sie ab (genau das machen +viele Webbrowser, wenn Sie einem Verweis zu einer Audiodatei folgen).</p> + +<p>Nun sehen Sie, wie dieser Patentanspruch aufgebläht wurde, um ihn nach einer +komplexen Idee aussehen zu lassen: sie kombinierten ihre eigene Idee +(angegeben in zwei Textzeilen) mit wichtigen Aspekten von Rechnern, +Netzwerken, Webservern und Webbrowsern. Das summiert sich zu der sogenannten +Erfindung, für die sie das Patent erhielten.</p> + +<p>Dies ist ein typisches Beispiel für Softwarepatente. Auch das seltene +Patent, dessen Idee nicht trivial ist, hat die gleiche Art hinzugefügter +Komplikation.</p> + +<p>Sehen Sie sich nun folgenden Patentanspruch an:</p> + +<blockquote> +<p>„3. Die Verfahren gemäß Patentanspruch 1, wobei das zentrale Speichergerät +aus einer Vielzahl von <abbr title="Compact Disc Read-Only +Memory">CD-ROM</abbr>s besteht.“</p> +</blockquote> + +<p>Was sie hier sagen, ist: „Selbst wenn Sie nicht glauben, dass +Patentanspruch Nr. 1 wirklich eine Erfindung ist, so ist die Verwendung von +CD-ROMs, um Daten darauf zu speichern, sicherlich eine Erfindung. Ein +durchschnittlicher Systementwickler hätte nie daran gedacht, Daten über eine +CD zu speichern.“</p> + +<p>Jetzt zum nächsten Patentanspruch:</p> + +<blockquote> +<p>„4. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1, wobei das zentrale Speichergerät +aus einer redundanten Anordnung unabhängiger Festplatten (<abbr +title="Redundant Array of Independent Disks">RAID</abbr>) besteht.</p> +</blockquote> + +<p>Ein Raid-Array ist eine Anordnung von Festplatten, die wie eine einzelne +große Festplatte arbeiten, mit der Besonderheit, dass, selbst wenn eine +Festplatte einen Fehler aufweist und ausfällt, alle Daten immer noch auf den +anderen Festplatten der Gruppe verfügbar sind. Solche Arrays konnten schon +lange vor 1996 erworben werden und sind ein Standardverfahren, um Daten mit +hoher Verfügbarkeit zu speichern. Diese brillianten Erfinder jedoch haben +die Benutzung eines RAID-Arrays für diesen bestimmten Zweck patentiert.</p> + +<p>So trivial es auch sein mag, würde dieses Patent selbst im Falle eines +Prozesses nicht unbedingt außer Kraft gesetzt werden. Nicht nur das +US-Patentamt, auch die Gerichte tendieren zur Anwendung eines sehr niedrigen +Standards, wenn sie entscheiden, ob ein Patent <em>nicht offensichtlich</em> +ist. Laut ihnen mag dieses Patent den Anforderungen genügen.</p> + +<p>Darüber hinaus zögern Gerichte, sich über das Patentamt hinwegzusetzen; es +gibt damit eine bessere Chance ein Patent aufzuheben, wenn man vor Gericht +einen Stand der Technik nachweisen kann, den das Patentamt nicht +berücksichtigte. Wenn die Gerichte bereit sind, einen höheren Standard bei +der Beurteilung von Unoffensichtlichem zu erwägen, hilft dies, ihnen den +Stand der Technik zu sichern. Dementsprechend könnten die Vorschläge, die +<em>das System verbessern</em> sollen, indem dem Patentamt eine bessere +Datenbank mit dem Stand der Technik bereit gestellt wird, die Dinge in +Wirklichkeit verschlechtern.</p> + +<p>Es ist sehr schwer, ein Patentsystem zu einer vernünftigen Handlungsweise zu +bewegen; es ist eine komplizierte Bürokratie und folgt tendenziell seinen +strukturellen Imperativen, ohne Rücksicht darauf, was es <em>angeblich</em> +tun sollte. Der praktisch einzige Weg, um die vielen offensichtlichen +Patente auf Softwarefunktionen und Geschäftspraktiken loszuwerden, ist, alle +Patente in diesen Bereichen loszuwerden. Glücklicherweise wäre das kein +Verlust: die nicht offensichtlichen Patente bewirken im Softwarebereich auch +nichts Gutes. Was Softwarepatente bewirken, ist Softwareentwickler und +-benutzer der Bedrohung auszusetzen.</p> + +<p>Das Patentsystem soll, angeblich, den Fortschritt und jene fördern, die von +Softwarepatenten profitieren und uns bitten, ohne Fragen zu stellen, zu +glauben, dass sie diesen Effekt auch haben. Doch die Erfahrung der +Programmierer zeigt anderes. Neue, theoretische Analysen legen dar, dass +dies kein Paradoxon ist (siehe <a +href="http://www.researchoninnovation.org/patent.pdf" title="James Bessen; +Eric Maskin, Sequential Innovation, Patents, and Imitation, unter: Research +on Innovation/MIT, researchoninnovation.org 1999." +type="application/pdf">researchoninnovation.org/patent.pdf"</a>). Es gibt +keinen Grund, warum die Gesellschaft Softwareentwickler und -benutzer den +Gefahren von Softwarepatenten aussetzen sollte.</p> + +<div class="translators-notes"> + +<!--TRANSLATORS: Use space (SPC) as msgstr if you don't have notes.--> + </div> +</div> + +<!-- for id="content", starts in the include above --> +<!--#include virtual="/server/footer.de.html" --> +<div id="footer"> +<div class="unprintable"> + +<p>Bitte senden Sie allgemeine Fragen zur FSF & GNU an <a +href="mailto:gnu@gnu.org"><gnu@gnu.org></a>. Sie können auch die <a +href="/contact/"><span xml:lang="en" lang="en">Free Software +Foundation</span> kontaktieren</a>. Ungültige Verweise und andere +Korrekturen oder Vorschläge können an <a +href="mailto:webmasters@gnu.org"><webmasters@gnu.org></a> gesendet +werden.</p> + +<p> +<!-- TRANSLATORS: Ignore the original text in this paragraph, + replace it with the translation of these two: + + We work hard and do our best to provide accurate, good quality + translations. However, we are not exempt from imperfection. + Please send your comments and general suggestions in this regard + to <a href="mailto:web-translators@gnu.org"> + + <web-translators@gnu.org></a>.</p> + + <p>For information on coordinating and submitting translations of + our web pages, see <a + href="/server/standards/README.translations.html">Translations + README</a>. --> +Bei der Übersetzung dieses Werkes wurde mit größter Sorgfalt +vorgegangen. Trotzdem können Fehler nicht völlig ausgeschlossen +werden. Sollten Sie Fehler bemerken oder Vorschläge, Kommentare oder Fragen +zu diesem Dokument haben, wenden Sie sich bitte an unser Übersetzungsteam <a +href="mailto:web-translators@gnu.org?cc=www-de-translators@gnu.org"><web-translators@gnu.org></a>.</p> +<p>Weitere Informationen über die Koordinierung und Einsendung von +Übersetzungen unserer Internetpräsenz finden Sie in der <a +href="/server/standards/README.translations">LIESMICH für Übersetzungen</a>.</p> +</div> + +<p>Copyright © 2006, 2016 Richard Stallman.</p> + +<p>Dieses Werk ist lizenziert unter einer <a rel="license" +href="//creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de">Creative Commons +Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International</a>-Lizenz.</p> + +<!--#include virtual="/server/bottom-notes.de.html" --> +<div class="translators-credits"> + +<!--TRANSLATORS: Use space (SPC) as msgstr if you don't want credits.--> +<strong>Übersetzung:</strong> Roland Zowislo, 2012.</div> + +<p class="unprintable"><!-- timestamp start --> +Letzte Änderung: + +$Date: 2016/12/03 23:45:11 $ + +<!-- timestamp end --> +</p> +</div> +</div> +</body> +</html> |