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<title>Softwarepatente und literarische Patente - GNU-Projekt - Free Software
Foundation</title>

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<h2>Softwarepatente und literarische Patente</h2>

<p>von <a href="http://www.stallman.org/"><strong>Richard Stallman</strong></a></p>

<p>
Die englische Originalausgabe erschien am 20. Juni 2005 bei The Guardian,
London, unter dem Titel <cite><span xml:lang="en" lang="en">Patent
absurdity</span></cite>. Hauptaugenmerk war die vorgeschlagene
EU-Softwarepatent-Richtlinie.<a href="#tn1" id="tn1-ref"
class="transnote">[1]</a></p>

<p>
Wenn Politiker die Frage der Softwarepatente bedenken, entscheiden sie sich
üblicherweise blindlings; da sie keine Programmierer sind, verstehen sie
nicht, was es mit Softwarepatenten wirklich auf sich hat. Oft glauben sie,
Patente und Urheberrechte sind ähnlich (<em>abgesehen von einigen
Details</em>)&#160;&#8209;&#160;was nicht der Fall ist. Als ich
beispielsweise Patrick Devedjian, damals Frankreichs Industrieminister,
öffentlich fragte, wie Frankreich über die Frage der Softwarepatente
abstimmen würde, antwortete Devedjian mit einer leidenschaftlichen
Verfechtung des Urheberrechts, indem er Victor Hugo für seine Rolle bei der
Einführung des selbigen lobte (der irreführende Begriff <em>geistiges
Eigentum</em> fördert dieses Durcheinander, was einer der Gründe dafür ist,
warum er niemals benutzt werden sollte).
</p>

<p>
Wer sich die Auswirkungen wie die des Urheberrechts vorstellt, kann die
desaströsen Auswirkungen von Softwarepatenten nicht begreifen. Wir können
Victor Hugo als Beispiel nehmen, um die Unterschiede zu beleuchten.
</p>

<p>
Ein Roman und ein modernes komplexes Programm haben bestimmte Punkte gemein:
beide sind umfangreich und setzen zahlreiche Ideen in Kombination um. Folgen
wir also der Analogie und nehmen an, dass Patentrecht sei bereits im
19. Jahrhundert bei Romanen angewandt worden; nehmen wir an, dass Staaten
wie Frankreich die Patentierung literarischer Ideen erlaubt hätte. Welche
Auswirkungen hätte das auf Victor Hugos Schriften gehabt? Wie wären die
Auswirkungen literarischer Patente mit literarischem Urheberrecht zu
vergleichen?
</p>

<p>
Betrachten wir Victor Hugos Roman <cite>Les Mis&eacute;rables</cite>. Da er
ihn schrieb, gehörte ausschließlich ihm das Urheberrecht. Er musste nicht
befürchten, dass irgendjemand ihn wegen Verletzung des Urheberrechts
verklagen und gewinnen könnte. Das war unmöglich, weil Urheberrecht nur die
Details über ein Werk der Autorschaft umfasst, nicht die darin verkörperten
Ideen, und es beschränkt nur das Kopieren. Hugo hatte <cite>Les
Mis&eacute;rables</cite> nicht kopiert, also war er durch das Urheberrecht
nicht gefährdet.
</p>

<p>
Mit Patenten verhält es sich anders. Patente decken Ideen ab; jedes Patent
ist ein Monopol auf die Ausübung einer Idee, die in dem Patent selbst
beschrieben ist. Hier ist ein Beispiel für ein hypothetisches literarisches
Patent:
</p>

<ul>
    <li>Patentantrag 1: ein Kommunikationsprozess, der im Bewusstsein eines Lesers
das Konzept eines Charakters darstellt, der lange im Gefängnis gewesen ist
und verbittert gegenüber Gesellschaft und Menschheit wird.</li>

    <li>Patentantrag 2: ein Kommunikationsprozess im Sinne von Patentantrag 1, worin
besagter Charakter nachträglich moralische Wiedergutmachung durch die
Liebenswürdigkeit eines anderen findet.</li>

    <li>Patentantrag 3: ein Kommunikationsprozess im Sinne von Patentantrag 1 und 2,
worin besagter Charakter seinen Namen während der Geschichte ändert.</li>
</ul>

<p>
Hätte solch ein Patent 1862, als <cite>Les Mis&eacute;rables</cite>
veröffentlicht wurde, bestanden, wäre der Roman mit allen drei
Patentanträgen in Konflikt geraten, da all diese Dinge Jean Valjean im Roman
passierten. Victor Hugo hätte verklagt werden können und hätte in diesem
Falle verloren. Der Roman hätte verboten werden können&#160;&#8209;&#160;im
Endeffekt zensiert&#160;&#8209;&#160;vom Patentinhaber.
</p>

<p>
Betrachten wir nun dieses hypothetische literarische Patent:
</p>

<ul>
    <li>Patentantrag 1: ein Kommunikationsprozess, der im Bewusstsein eines Lesers
das Konzept eines Charakters darstellt, der lange im Gefängnis gewesen ist
und anschließend seinen Namen ändert. </li>
</ul>

<p>
<cite>Les Mis&eacute;rables</cite> wäre auch durch dieses Patent untersagt
worden, weil diese Beschreibung ebenfalls zur Lebensgeschichte von Jean
Valjean passt. Hier ist ein weiteres hypothetisches Patent:
</p>

<ul>
    <li>Patentantrag 1: ein Kommunikationsprozess, der im Bewusstsein eines Lesers
das Konzept eines Charakters darstellt, der moralische Wiedergutmachung
findet und dann seinen Namen ändert.</li>
</ul>

<p>
Jean Valjean wäre auch durch dieses Patent verboten worden.
</p>

<p>
Alle drei Patente würden die Lebensgeschichte dieses einen Charakters
abdecken und verbieten. Sie überlappen, aber duplizieren einander nicht
genau, somit können sie alle gleichzeitig gültig sein; alle drei
Patentinhaber hätten Victor Hugo verklagen können. Jeder einzelne von ihnen
hätte die Veröffentlichung von <cite>Les Mis&eacute;rables</cite> verbieten
können.
</p>

<p>
Auch gegen dieses Patent hätte mit
</p>

<ul>
    <li>Patentantrag 1: ein Kommunikationsprozess, der einen Charakter darstellt,
dessen Vorname mit der letzten Silbe seines Familiennamens übereinstimmt.</li>
</ul>

<p>
durch den Namen <em>Jean Valjean</em> verstoßen werden können, aber
zumindest wäre dieses Patent leicht zu vermeiden gewesen.
</p>

<p>
Man könnte meinen, dass diese Ideen so simpel sind, dass kein Patentamt sie
ausstellen würde. Wir Programmierer sind oft von der Einfachheit der Ideen
erstaunt, die wirkliche Softwarepatente abdecken. So hat das Europäische
Patentamt beispielsweise ein Patent auf die Fortschrittsleiste ausgestellt
und ein Patent, um die Zahlung über Kreditkarten zu akzeptieren. Diese
Patente wären lachhaft, wenn sie nicht so gefährlich wären.
</p>

<p>
Andere Aspekte von <cite>Les Mis&eacute;rables</cite> hätten ebenfalls mit
Patenten ins Gehege kommen können. Man hätte beispielsweise ein Patent auf
eine fiktionalisierte Darstellung der Schlacht von Waterloo ausstellen
können oder ein Patent, Pariser Slang in Literatur zu verwenden. Zwei
weitere Klagen. Es gibt de facto keine Grenze für die Anzahl verschiedener
Patente, die für das Verklagen des Autors eines Werks wie <cite>Les
Mis&eacute;rables</cite> hätten anwendbar sein können. Alle Patentinhaber
würden sagen, dass sie eine Belohnung für den literarischen Fortschritt
verdienten, den ihre patentierten Ideen darstellen, doch diese Hindernisse
würden den Fortschritt in der Literatur nicht fördern, sondern behindern.
</p>

<p>
Jedoch könnte ein sehr ausgedehntes Patent all diese Streitpunkte irrelevant
werden lassen. Stellen Sie sich ein Patent mit ausgedehnten Ansprüchen wie
diesen vor:
</p>

<ul>
    <li>Ein Kommunikationsprozess mit strukturierter Erzählung, die sich über viele
Seiten fortsetzt.</li>
    <li>Eine Erzählungsstruktur, die manchmal einer Fugue oder Improvisation ähnelt.</li>
    <li>Artikulierte Intrigen um die Konfrontation von bestimmten Charakteren, von
denen jeder dem anderen wiederum Fallen stellt.</li>
    <li>Erzählung, die viele Gesellschaftsschichten darstellt.</li>
    <li>Erzählung, die die Machenschaften heimlicher Verschwörung aufzeigt.</li>
  </ul>

  <p> Wer wären die Patentinhaber gewesen? Es hätte sich um andere Romanautoren,
vielleicht Dumas oder Balzac, handeln können, die solche Romane geschrieben
hätten&#160;&#8209;&#160;aber nicht unbedingt. Es wird nicht verlangt ein
Programm zu schreiben, um eine Softwareidee patentieren zu lassen. Wenn also
unsere hypothetischen literarischen Patente dem wirklichen Patentsystem
folgen, hätten diese Patentinhaber keine Romane schreiben müssen oder
Geschichten oder irgendetwas&#160;&#8209;&#160;nur
Patentanmeldungen. Patentschmarotzende Firmen, Unternehmen, die nichts außer
Drohungen und Prozessen produzieren, haben derzeit Hochkonjunktur.</p>

  <p> Angesichts dieser weitreichenden Patente wäre Victor Hugo wohl niemals in
den Sinn gekommen zu fragen, aufgrund welcher Patente man ihn für die
Verwendung eines Charakters wie Jean Valjean hätte verklagen können, weil er
nicht einmal daran hätte denken können, einen derartigen Roman zu schreiben.</p>

<p>Diese Analogie kann Nichtprogrammierern helfen zu erkennen, was
Softwarepatente wirklich anrichten. Softwarepatente umfassen Eigenschaften
wie das Definieren von Abkürzungen in einem Textverarbeitungsprogramm oder
die automatische Neuberechnung von Zellinhalten in einer
Tabellenkalkulation. Patente decken Algorithmen ab, die Programme verwenden
müssen. Patente decken Aspekte von Dateiformaten wie Microsofts OOXML-Format
ab. Das MPEG 2-Videoformat wird durch 39 verschiedene US-Patente abgedeckt.</p>

<p>Genauso wie ein Roman mit vielen verschiedenen literarischen Patenten auf
einmal in Konflikt geraten könnte, kann ein Programm durch viele Patente auf
einmal verboten werden. Es bedeutet eine Menge Arbeit alle Patente zu
identifizieren, die für ein großes Programm zu gelten scheinen, sodass nur
eine einzige solche Untersuchung durchgeführt wurde. Eine 2004 durchgeführte
Untersuchung von Linux, dem Betriebssystemkern vom GNU/Linux-Betriebssystem,
fand 283 verschiedene US-Softwarepatente, die es abzudecken schienen. Das
heißt, dass jedes dieser 283 unterschiedlichen Patente irgendeinen
Rechenprozess verbietet, der sich irgendwo in den Tausenden von Seiten des
Linux-Quellcodes befindet. Zu der Zeit machte Linux etwa ein Prozent des
gesamten GNU/Linux-Systems aus. Wie viele Patente mag es geben, unter denen
ein Distributor eines Gesamtsystems verklagt werden könnte?</p>

<p>
Der Weg, das Verpfuschen von Softwareentwicklung durch Softwarepatente zu
verhindern, ist einfach: keine Autorisierung. Das sollte einfach sein, da
die meisten Patentrechte Regelungen gegen Softwarepatente
beinhalten. Typischerweise heißt es, dass <em>Software per se</em> nicht
patentierbar sei. Weltweit versuchen Patentämter jedoch, die Wörter zu
verdrehen und Patente für in Programmen umgesetzte Ideen umzusetzen. Solange
das nicht gestoppt ist, wird das Ergebnis alle Softwareentwickler in Gefahr
bringen.
</p>

<hr />
<blockquote id="fsfs"><p class="big">Der englischsprachige Aufsatz wurde in <a
href="http://shop.fsf.org/product/free-software-free-society/" xml:lang="en"
lang="en"><cite>Free Software, Free Society: The Selected Essays of Richard
M. Stallman</cite></a> veröffentlicht.</p></blockquote>

<div class="translators-notes">

<!--TRANSLATORS: Use space (SPC) as msgstr if you don't have notes.-->
<p><strong>Anmerkungen des Übersetzungsteams:</strong></p>
<ol id="transnote">
<li id="tn1"><a href="#tn1-ref">[1]</a> EU-Softwarepatent-Richtlinie
<em>über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen</em>.</li>
</ol></div>
</div>

<!-- for id="content", starts in the include above -->
<!--#include virtual="/server/footer.de.html" -->
<div id="footer">
<div class="unprintable">

<p>Bitte senden Sie allgemeine Fragen zur FSF &amp; GNU an <a
href="mailto:gnu@gnu.org">&lt;gnu@gnu.org&gt;</a>. Sie können auch die <a
href="/contact/"><span xml:lang="en" lang="en">Free Software
Foundation</span> kontaktieren</a>. Ungültige Verweise und andere
Korrekturen oder Vorschläge können an <a
href="mailto:webmasters@gnu.org">&lt;webmasters@gnu.org&gt;</a> gesendet
werden.</p>

<p>
<!-- TRANSLATORS: Ignore the original text in this paragraph,
        replace it with the translation of these two:

        We work hard and do our best to provide accurate, good quality
        translations.  However, we are not exempt from imperfection.
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        to <a href="mailto:web-translators@gnu.org">

        &lt;web-translators@gnu.org&gt;</a>.</p>

        <p>For information on coordinating and submitting translations of
        our web pages, see <a
        href="/server/standards/README.translations.html">Translations
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</div>

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<p>Copyright &copy; 2005, 2007, 2008 Richard Stallman.</p>

<p>Dieses Werk steht unter einer <a rel="license"
href="http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/us/deed.de">Creative
Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Vereinigte Staaten von Amerika
Lizenz</a>.</p>

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<div class="translators-credits">

<!--TRANSLATORS: Use space (SPC) as msgstr if you don't want credits.-->
<strong>Übersetzung:</strong> Roland Zowislo <a
href="https://savannah.gnu.org/projects/www-de">&lt;www-de&gt;</a>, 2012.</div>

<p class="unprintable"><!-- timestamp start -->
Letzte Änderung:

$Date: 2016/12/03 23:45:11 $

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</p>
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