Technologische Neutralität und Freie Software

von Richard Stallman

Entwickler proprietärer Software, die sich gegen Gesetze aussprechen, die sich in Richtung Freie Software bewegen, argumentieren häufig, dass das den Grundsatz der „technologischen Neutralität“ verletzen würde. Die Schlussfolgerung ist falsch, aber wo liegt der Fehler?

Technologische Neutralität ist der Grundsatz, dass der Staat keine Präferenzen für oder gegen bestimmte Arten von Technologie auferlegen sollte. So sollte es keine Regel geben, die angibt, ob Regierungsbehörden Solid-State-Drive-Speichermedien oder magnetische Festplatten verwenden sollten oder ob sie GNU/Linux oder BSD benutzen sollten. Vielmehr sollte die Behörde Bewerber [bei einer Ausschreibung, A. d. Ü,] jede akzeptable Technologie als Teil ihrer Lösungen vorschlagen lassen und das beste/preiswerteste Angebot nach gängigen Regeln wählen.

Der Grundsatz der technologischem Neutralität ist zulässig, aber hat Grenzen. Einige Technologien sind gesundheitsschädlich; sie können Luft oder Wasser verunreinigen, Antibiotikaresistenz fördern, Schindluder mit ihren Benutzern treiben, die Arbeiter, die sie herstellen, missbräuchlich ausnutzen oder massive Arbeitslosigkeit verursachen. Diese sollten besteuert, reguliert, vermieden oder sogar verboten werden.

Der Grundsatz der technologischen Neutralität trifft nur auf rein technische Entscheidungen zu, nicht auf „ethische Neutralität“ oder „soziale Neutralität“. Auf Entscheidungen etwa ethischer und sozialer Aspekte trifft er nicht zu ‑ wie die Wahlmöglichkeit zwischen freier und proprietärer Software.

Wenn der Staat beispielsweise einen Kurs einschlägt auf Freie Software zu migrieren, um die IT-Souveränität des Landes wiederherzustellen und das Volk in Richtung Freiheit und Zusammenarbeit zu führen, ist dies keine technische Präferenz. Dies ist ein ethischer, sozialer und politischer Kurs, kein technologischer. Der Staat soll nicht neutral sein was das Aufrechterhalten der Freiheit oder Fördern der Zusammenarbeit des Volkes betrifft. Er soll nicht neutral sein was Aufrechterhalten oder Wiederherstellen seiner Souveränität betrifft.

Es ist die Aufgabe des Staates darauf zu bestehen, dass die in dessen öffentlichen Einrichtungen eingesetzte Software die IT-Souveränität des Landes respektiert und dass die in dessen Schulen unterrichtete Software deren Schülerinnen und Schülern Freiheit und Zusammenarbeit lehren. Der Staat muss ‑ ausschließlich ‑ auf Freie Software in öffentlichen Einrichtungen und bei der Bildung bestehen. Der Staat hat die Verantwortung, die Kontrolle über seine IT aufrechtzuerhalten, damit diese Kontrolle nicht etwa als Service-as-a-Software-Substitute abgetreten werden muss. Darüber hinaus darf der Staat Unternehmen nicht die persönlichen Daten offenbaren, die über Bürger erhoben werden.

Wenn keine ethischen Imperative auf eine bestimmte technische Entscheidung zutreffen, kann sie dem Gebiet der technologischen Neutralität überlassen werden.

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