From 1ae0306a3cf2ea27f60b2d205789994d260c2cce Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Christian Grothoff Date: Sun, 11 Oct 2020 13:29:45 +0200 Subject: add i18n FSFS --- talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html | 396 +++++++++++++++++++++++ 1 file changed, 396 insertions(+) create mode 100644 talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html (limited to 'talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html') diff --git a/talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html b/talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html new file mode 100644 index 0000000..cfba7f0 --- /dev/null +++ b/talermerchantdemos/blog/articles/de/not-ipr.html @@ -0,0 +1,396 @@ + + + + + + +Sagten Sie ‚Geistiges Eigentum‘? Eine verführerische Illusion - GNU-Projekt +- Free Software Foundation + + + +

Sagten Sie ‚Geistiges Eigentum‘? Eine verführerische Illusion

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von Richard Stallman

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+Es ist in Mode gekommen, Urheberrecht, Patente und +Marken ‑ drei separate und unterschiedliche Entitäten, die +drei separate und unterschiedliche Rechtsvorschriften +umfassen ‑ sowie ein Dutzend andere Gesetze in einen Topf zu +werfen und es „geistiges Eigentum“ zu nennen. Der verzerrende und +irritierende Begriff setzte sich nicht zufällig durch. Firmen, die davon +profitieren, förderten ihn. Der einfachste Weg aus der Irritation ist den +Begriff gänzlich zurückzuweisen. +

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+Laut Professor Mark Lemley, nun an der Juristischen Fakultät von Stanford, +ist der weitverbreitete Gebrauch des Begriffs „Geistiges +Eigentum“ eine Modeerscheinung, die der Gründung der +Weltorganisation für „geistiges Eigentum“ (engl. ‚World Intellectual Property Organization‘, +WIPO) im Jahre 1967 folgte und erst in den letzten Jahren gängiger wurde +(WIPO ist formal eine Organisation der Vereinten Nationen, vertritt +tatsächlich aber die Interessen der Inhaber von Urheberrechten, Patenten und +Marken). [Weitverbreitete Nutzungsdaten aus der Zeit ab ca. 1990 +/ Bildkopie +(archiviert).] +

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+Der Begriff führt eine unschwer zu erkennende Voreingenommenheit mit sich: +er legt nahe, über Urheberrecht, Patente und Marken in Analogie zu +Eigentumsrechten materieller Objekte nachzudenken (diese Analogie steht im +Widerspruch zum Rechtsverständnis des Urheber-, Patent- und des +Markenrechts, aber nur Fachleute wissen das). Diese Gesetze sind in der Tat +nicht ganz wie materielles Eigentumsrecht, aber der Gebrauch des Begriffs +„Geistiges Eigentum“ führt Gesetzgeber dazu, sie mehr in diese Richtung zu +ändern. Da dies eine von Unternehmen ‑ die Urheber-, Patent- +und Markenmächte ausüben ‑ erwünschte und beabsichtigte +Änderung ist, sagt ihnen die Voreingenommenheit des Begriffs „Geistiges +Eigentum“ zu. +

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+Die Voreingenommenheit ist Grund genug den Begriff zurückzuweisen, und man +hat mich häufig gebeten, einen anderen Namen für die gesamte Kategorie +vorzuschlagen ‑ oder es wurden eigene (oft humorvolle) +Alternativen vorgeschlagen. Vorschläge wie unter anderem IMPs für +Imposed Monopoly Privileges +(‚Aufgezwungene Monopolrechte‘) oder GOLEMs für Government-Originated Legally Enforced Monopolies +(in etwa durch die ‚öffentliche Hand rechtskräftig durchgesetzte +Zwangsmonopole‘). Manche sprechen auch von „Exklusivrechte-Regimen“, aber +Restriktionen „Rechte“ zu nennen, ist ein ebenso zwiespältiges Denken. +

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+Einige dieser alternativen Namen wären eine Verbesserung, aber es ist ein +Fehler, „Geistiges Eigentum“ mit einem anderen Begriff zu ersetzen. Ein +unterschiedlicher Name wird nicht das grundlegende Problem des Begriffes +angehen: Überverallgemeinerung. Es gibt nicht so etwas wie ein einheitliches +„geistiges Eigentum“ ‑ das ist eine Illusion. Der einzige +Grund, warum man meint es ergebe als schlüssige Kategorie Sinn, ist der, +dass der weitverbreitete Gebrauch des Begriffs einen über die fraglichen +Gesetze fehlgeleitet hat. +

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+„Geistiges Eigentum“ ist bestenfalls ein Sammelbecken, um ungleiche Gesetze +in einen Topf zu werfen. Nichtjuristen, die einen auf diese +unterschiedlichen Gesetze angewandten Begriff hören, neigen zu der Annahme, +sie würden auf einem gemeinsamen Prinzip und ähnlichen Aufgabe beruhen. +

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+Nichts könnte der Realität ferner sein. Diese Gesetze entstanden separat, +entwickelten sich unterschiedlich, decken verschiedene Aktivitäten ab, haben +unterschiedliche Regeln und werfen andere Fragen der öffentlichen Ordnung +auf. +

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+Das Urheberrecht wurde beispielsweise entworfen, um Autorschaft und Kunst zu +fördern, und umfasst die Einzelheiten eines Werkes. Das Patentrecht sollte +die Veröffentlichung nützlicher Ideen fördern, zu einem Preis, demjenigen, +der eine Idee veröffentlicht, ein vorläufiges Monopol darüber zu +geben ‑ einem Preis, der in einigen Bereichen zu zahlen wert +sein kann und in anderen nicht. +

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+Markenrecht sollte hingegen nicht irgendeine besondere Handlungsweise +fördern, sondern Käufern lediglich ermöglichen zu wissen, was sie +kaufen. Gesetzgeber haben es jedoch unter dem Einfluss des Begriffs +„Geistiges Eigentum“ zu einem Schema gemacht, das Anreize für Werbung +ermöglicht. Und das sind nur drei von vielen Gesetzen, auf die sich der +Begriff bezieht. +

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+Da sich diese Gesetze unabhängig voneinander entwickelten, sind sie sowohl +in jedem Detail als auch ihren grundsätzlichen Zielen und Methoden +verschieden. Wenn man also einige Fakten zum Urheberrecht erfährt, wäre man +gut beraten anzunehmen, dass sich Patentrecht unterscheidet. Man wird selten +falsch liegen! +

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+In der Praxis werden nahezu alle anzutreffenden allgemeinen Aussagen, die +mit „geistiges Eigentum“ formuliertes sind, falsch sein. Beispielsweise +Aussagen, dass Sinn und Zweck eine Maßnahme zur +„Förderung der Innovationen“ sei, aber trifft nur auf Patentrecht zu und +vielleicht Saatgut-Monopolen. Urheberrecht beschäftigt sich nicht mit +Innovation. Ein Schlager oder Roman unterliegt selbst dann dem Urheberrecht, +wenn es nichts Innovatives daran gibt. Markenrecht beschäftigt sich +ebenso nicht mit Innovation. Wenn ich einen Teeladen eröffne und +ihn RMS-Tee nennen würde, wäre das eine feststehende Marke, selbst +wenn ich dieselben Tees auf die gleiche Weise wie jeder andere auch +verkaufen würde. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisrecht[*] beschäftigen sich auch +nicht mit Innovation, höchstens am Rande. Meine Liste mit Teekunden wäre ein +Betriebs- und Geschäftsgeheimnis und hätte nichts mit Innovation zu tun.

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+Man wird auch Aussagen antreffen, dass sich „geistiges Eigentum“ mit +„Kreativität“ befassen würde, aber das passt nun wirklich nur zu +Urheberrecht. Um eine patentfähige Erfindung zu machen, ist mehr als +Kreativität erforderlich. Marken- und das Betriebs- und +Geschäftsgeheimnisrecht haben nichts mit Kreativität zu tun. Der Name +RMS-Tee ist überhaupt nicht kreativ, und auch nicht meine geheime +Liste mit Teekunden.

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+Einige sagen oftmals „geistiges Eigentum“, wenn sie tatsächlich mehr oder +weniger eine Reihe unterschiedlicher Gesetzen meinen. Beispielsweise +verhängen reiche Länder oft ungerechte Gesetze auf arme Länder, um Geld aus +ihnen herauszuquetschen. Einige dieser Gesetze gehören zu den sogenannten +„Geistiges Eigentum“-Gesetzen, und andere nicht. Dennoch greifen Kritiker +der Praxis oft zu dieser Bezeichnung, weil sie ihnen vertraut geworden +ist. Durch den Gebrauch stellen sie die Art des Problems falsch dar. Es wäre +besser, einen genauen Begriff wie etwa „legislative Kolonisation“ zu +verwenden, das trifft den Kern der Sache eher. +

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+Laien sind nicht die einzigen, die durch diesen Begriff irregeführt +werden. Sogar Juraprofessoren, die diese Jurisprudenz lehren, werden durch +die Verführungskraft des Begriffs „Geistiges Eigentum“ geködert und +unaufmerksam, und geben allgemeine Aussagen ab, die im Widerspruch mit ihnen +bekannten Fakten stehen. Beispielsweise schrieb ein Professor im Jahr 2006: +

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+„Anders als ihre Nachfahren, die nun die Zügel bei der WIPO in der Hand +halten, hatten die Gestalter der US-Verfassung eine von Prinzipien +geleitete, wettbewerbsfördernde Einstellung zum geistigen Eigentum. Sie +wussten, dass Rechte notwendig sein könnten, aber […] sie banden dem +Kongress die Hände, was dessen Macht in vielfacher Hinsicht einschränkte.“ +

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+Diese Aussage bezieht sich auf Artikel 1, Abschnitt 8, Satz 8 der +US-Verfassung, welche Urheber- und Patentrecht autorisiert. Dieser Satz hat +jedoch nichts mit Marken- und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisrecht oder +verschiedenen anderen zu tun. Der Begriff „Geistiges Eigentum“ führte den +Professor dazu, eine falsche Verallgemeinerung zu machen. +

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+Der Begriff „Geistiges Eigentum“ führt auch zu vereinfachtem Denken. Er +führt dazu, sich auf die dürftige Gemeinsamkeit in der Form zu +konzentrieren, die diese disparaten Gesetze haben ‑ dass sie +künstliche Privilegien für gewisse Parteien schaffen ‑ und +die Details zu missachten, die ihr Wesen bilden: die besonderen +Beschränkungen, die jedes davon der Öffentlichkeit auferlegt und die +Konsequenzen, die daraus resultieren. Diese vereinfachte Konzentration unterstützt einen ökonomistischen Ansatz auf all +diese Fragen. +

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+Ökonomik funktioniert hier ‑ wie schon so +oft ‑ als Mittel für ungeprüfte Annahmen. Diese beinhalten +Annahmen über Werte wie dessen Produktionsumfang, nicht jedoch Freiheit und +Lebensweise, und faktische Annahmen, die meist falsch sind, wie +beispielsweise das Urheberrechte an Musik die Musiker unterstützen würde +oder Patente auf Medikamente die lebensrettende Forschung unterstützen +würde. +

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+Ein anderes Problem besteht darin, größtenteils implizit durch den Begriff +„Geistiges Eigentum“, dass die besonderen Fragen im Zusammenhang mit den +verschiedenen Gesetzen nahezu unsichtbar sind. Diese Fragen ergeben sich aus +den Besonderheiten jedes Gesetzes ‑ genau das, wozu der +Begriff „Geistiges Eigentum“ ermutigt zu ignorieren. Beispielsweise ist ein +Problem im Zusammenhang mit dem Urheberrecht, ob der gemeinsame Austausch +von Musik erlaubt sein sollte. Patentrecht hat damit nichts zu tun. Das +Patentrecht wirft Fragen auf wie etwa, ob es armen Ländern erlaubt sein +sollte, lebensrettende Medikamente zu produzieren und sie preiswert zu +verkaufen, um Leben zu retten. Urheberrecht hat mit solchen Dingen nichts zu +tun. +

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+Keine diese Fragen ist ausschließlich ökonomischer Natur, und ihre +unökonomischen Aspekte sind sehr unterschiedlich. Die oberflächliche +ökonomische Überverallgemeinerung als Grundlage für ihre Erwägung zu +benutzen, bedeutet, die Unterschiede zu ignorieren. Beide Gesetze in den +Topf „Geistiges Eigentum“ zu packen, behindert das klare Denken über jedes +einzelne. +

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+Somit sind jegliche Meinungen über „die Frage des geistigen +Eigentums“ und etwaige Verallgemeinerungen über diese vermeintliche +Kategorie fast sicher töricht. Wenn man meint, dass all diese Gesetze ein +und derselbe Sachverhalt seien, wird man tendenziell die Meinungen aus einer +Auswahl mitreißender Verallgemeinerungen wählen, von denen keine etwas +taugt. +

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+Die Zurückweisung von ‚Geistigen Eigentum‘ ist keine bloße philosophische +Neuschöpfung. Der Begriff richtet ernsten Schaden an. Apple benutzte ihn, um +die Debatte +über Nebraskas Gesetzesvorlage ‚Right to Repair‘ zu verzerren. Das +fingierte Konzept gab Apple die Möglichkeit, seine Vorliebe für +Geheimhaltung in Schale zu werfen, welches in Konflikt mit den Rechten +seiner Kunden als angeblicher Grundsatz steht, dem Kunden und der Staat +nachgeben müssen.

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+Wenn man einen klaren Gedanken über die Fragen im Zusammenhang mit Patenten, +Urheberrechten, Marken oder diversen anderen Gesetzen fassen möchte, besteht +der erste Schritt darin, die Idee zu vergessen, man könne sie alle in einen +Topf werfen und sie als separate Sachverhalte behandeln. Der zweite Schritt +besteht darin, die schmalen Perspektiven und vereinfachenden Bilder, die der +Begriff „Geistiges Eigentum“ suggeriert, zurückzuweisen. Betrachten Sie +jedes dieser Sachverhalte separat in seiner ganzen Fülle, und Sie haben eine +Chance, sie als gut zu betrachten. +

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Und was die Reformation der WIPO betrifft, hier ein Vorschlag für eine Änderung des Namens und +der Grundlage der WIPO. +

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+Siehe auch:

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Richard Stallman, Die kuriose +Geschichte von Komongistan (Zerschlagung des Begriffs „Geistiges +Eigentum“) 2015. (abgerufen 2015-04-21) +

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+Die Länder in Afrika ähneln sich sehr viel mehr als diese Gesetze, und +„Afrika“ ist ein kohärentes geographisches Konzept. Dennoch verursacht über +„Afrika“ statt über ein bestimmtes Land zu sprechen einiges an Irritation, +siehe:
Nicolas Kayser-Bril, Africa +is not a country, unter: TheGuardian.com 2014. (abgerufen +2016-11-17) +

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+Unterstützt die Zurückweisung dieses Begriffs:
Rick +Falkvinge, Language +Matters: Framing The Copyright Monopoly So We Can Keep Our +Liberties, unter: TorrentFreak.com 2013. (abgerufen 2016-11-17)

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Verurteilt den Begriff „Geistiges Eigentum“ ebenso:
Cory Doctorow, +Sole +and Despotic Dominion, unter: Lotus, locusmag.com +2016. (abgerufen 2016-11-17)

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Anmerkungen des Übersetzungsteams:

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  1. [*] Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis +wird in den USA durch eigens geschaffene Gesetze und Verordnungen +geregelt. In Deutschland unterliegen sie § 203, § 204 StGB und §§ 18 +f. UWG.
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  3. Weiterführende Referenzen:

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    1. [ ] Stephan Kinsella, “Intellectual +Property” as an umbrella term and as propaganda: a reply to Richard +Stallman, unter: c4sif.org 2012 (Internet Archive). (abgerufen +2016-11-15)
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+ + + + + + + + + -- cgit v1.2.3